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Nr. 2 / 2019
Buchempfehlung

The Seasons Alter. How to Save Our Planet in Six Acts

Wir schreiben das Jahr 2159. Eine Gruppe von Menschen versammelt sich, um eine Ansprache zum alljährlichen „Climate Day“ zu hören. Es ist ein Gedenk- und Trauertag, zu dem die Beinahe-Auslöschung der Menschheit rekapituliert wird: Nach gewaltsamen Konflikten um Wasser und globalen Pandemien gibt es nur wenige Überlebende. Die Menschen des frühen 21. Jahrhunderts haben es, so erfahren wir, nicht geschafft, wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Die absehbare Katastrophe nahm ihren Lauf.

The Seasons Alter beginnt mit einem klassischen Kunstgriff der Science Fiction: einem Rückblick aus der Zukunft, einer dystopischen Projektion, mittels derer die Verfehlungen der Gegenwart durch ihre Konsequenzen in der Zukunft besonders klar vor Augen geführt werden. Bemerkenswert wird die Episode allerdings dadurch, dass sie den erzählerischen Prolog eines Werkes darstellt, das von zwei der renommiertesten Köpfe der Wissenschaftsphilosophie gemeinsam verfasst wurde. Philip Kitcher, der u.a. in Princeton und an der Columbia University lehrte, und Evelyn Fox Keller, zuletzt am MIT tätig, bilden ein Autor*innenpaar, dem es ernst ist mit seinem Anliegen, das da lautet: Wir müssen reden!

Dass es mit Blick auf den Klimawandel dabei um anderes geht als um reine Informationsvermittlung, wird in den in sechs Akte gegliederten fiktiven Dialogen des Buches deutlich. Die Protagonist*innen Jo, die sich für klimarettende Maßnahmen ausspricht, und Joe, der diesen skeptisch gegenübersteht, tauschen zwar auch jede Menge Argumente aus. Sie diskutieren über Fakten, Prognosen, Handlungsmöglichkeiten. Es geht um die Frage, ob der Klimawandel tatsächlich menschengemacht ist, was es bedeutet, dass Wissenschaft stets unter Fallibilismusvorbehalt steht, wie die Lasten der Folgekosten verteilt werden sollten, welche Aussichten Geo-Engineering hat oder wie Beteiligungsprozesse gerecht gestaltet werden könnten. Vor allem aber bleiben Jo und Joe, die in jedem der Akte zwar ihre jeweilige Position beibehalten, aber in verschiedenen Charakteren auftreten, stets im Gespräch. So werden zum einen in allgemein verständlicher Weise und fast en passant die Grundlagen der Klimadebatte dargestellt, zum anderen wird gezeigt, wie es möglich sein könnte, einen konstruktiven Diskurs zu führen, also einen, der auf echten Austausch und letztlich Kooperation und gemeinsame Problemlösung abzielt. Das erfordert viel Einfühlungsvermögen und – manchmal auch beim Lesen – Geduld. Kitcher und Keller exerzieren gleichsam deliberative Idealgespräche durch. Würde man versuchen, sie so tatsächlich am familiären Abendbrottisch oder im Café zu führen, führten sie vermutlich des Öfteren zum genervten Abbruch. Nichtsdestotrotz ist es entscheidend, diese Gespräche immerhin zu beginnen, wenn es uns gelingen soll, eine gesamtgesellschaftlich getragene und demokratisch legitimierte Antwort auf die Herausforderungen der Klimakrise zu finden. Dem Redenmüssen ist ein Redenkönnen vorgeschaltet, eben jene Diskursfähigkeit, die Keller und Kitcher mit ihrem Buch fördern wollen: faktenbasiert, Polarisierungen vermeidend, dem anderen zugewandt. Damit mag – entgegen der Verheißung des Untertitels – noch keine Anleitung zur Rettung des Planeten vorliegen, gewiss jedoch ein Beitrag zur dringend notwendigen breiten Auseinandersetzung.

 

Philip Kitcher/Evelyn Fox Keller: The Seasons Alter. How to Save Our Planet in Six Acts. Norton (New York) 2017.