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Nr. 2 / 2018
Philosophie am Kröpcke

Von Dienstleistern, Fleischlieferanten und besten Freunden: Wie dürfen wir Tiere nutzen?

Philosophie – eine Wissenschaft im Elfenbeinturm? Weit gefehlt! Das Forschungsinstitut für Philosophie Hannover macht es sich zur Aufgabe, herauszufinden, was der Mann (und die Frau) von der Straße von den philosophischen Inhalten, die im Institut erforscht werden, hält und weiß. Pünktlich zu jeder Ausgabe des Journals führen wir dementsprechend eine streng wissenschaftlich kontrollierte Studie durch: Wir schreiten zum Kröpcke, der Agora Hannovers, mit einem Aufnahmegerät bewaffnet, und stellen allen Passanten, die uns über den Weg laufen, dieselbe Frage. Auf den Spuren des Sokrates, aber bar jeder Ironie.

Wir teilen unsere Lebenswelt auf vielfältige Weise mit Tieren, bewusst und unbewusst. Dass sie mehr sind als reine Automaten, wie Descartes dachte, ist heutzutage weitestgehend Konsens. Nichtsdestotrotz ist unser Verhältnis zu Tieren von tiefen Ambivalenzen geprägt. Wir setzen uns ein für den Schutz ihrer natürlichen Lebensräume und geben Unsummen für unsere Haustiere aus. Zugleich machen wir sie uns zu Nutzen und verbrauchen sie, wortwörtlich. Essen oder liebhaben – oder beides? Wir haben die Passanten am Kröpcke nach ihrer Haltung zur Nutzung von Tieren gefragt. Auszüge der geführten Gespräche lesen Sie hier.[*]

 

Emilia: Na ja, es kommt ja drauf an... Es gibt Nutztiere und es gibt Haustiere.

fiph: Und Nutztiere darf man nutzen und Haustiere nicht?

Emilia: Na ja... Manche haben ja auch Pferde als Haustiere, aber so war das ja eigentlich normalerweise nicht gedacht. Deswegen muss man aber auch Nutztiere so behandeln, dass sie noch von Nutzen sein können, also dass sie physisch und mental noch dazu in der Lage sind, zu arbeiten. Und manche Hunderassen brauchen ja sogar die Arbeit. Die wären dann als reine Haustiere auch unglücklich. Also hab ich da auch nichts dagegen, solange man die Tiere nicht überbelastet.

 

Lena: Ja, das ist keine leichte Frage... (überlegt eine Weile) Nachhaltig, würde ich sagen.

fiph: Was heißt „nachhaltig“ in diesem Zusammenhang?

Lena: Also, ich finde alle Formen von Tiernutzung oder landwirtschaftlicher Nutzung dürfen nicht so sein, dass wir die Sachen dadurch kaputt machen, also dass wir Tiere nur dafür züchten, dass sie gegessen werden, sondern.... Ja, dass das verantwortungsbewusst und nachhaltig passiert.

fiph: Verantwortungsbewusst und nachhaltig gegenüber den Tieren oder gegenüber einem größeren Zusammenhang?

Lena: Sowohl als auch. Also in Bezug auf die Tiere beides, aber auch in Bezug auf unser Leben auf dieser Erde. Also, dass auch meine Kinder hier noch leben können und auch die Kinder meiner Kinder hier noch leben können und noch nicht alles irgendwie runtergewirtschaftet ist.

 

Ben: Zum Kuscheln.

fiph: Sonst nicht?

Ben: Na ja, manche essen die auch. Ich bin auch kein Vegetarier.

fiph: Und das ist in Ordnung?

Ben: Na ja, das war schon immer so, oder nicht? Ob das in Ordnung ist, darüber hab ich mir noch nicht so richtig Gedenken gemacht.

 

Daniel: Oh... Das ist eine gute Frage... (überlegt) Ja... Wie darf man Tiere nutzen? (überlegt) Ich denke mal, teilweise als gute Freunde, teilweise – das hört sich jetzt blöd an im Gegensatz dazu – als Essen.

fiph: Und welche Tiere darf man als gute Freunde behandeln und welche als Essen? Wo liegt da der Unterschied?

Daniel: Man darf alle Tiere als gute Freunde behandeln. Als Essen, denke ich, in Deutschland zumindest nicht alle, weil es da so gesellschaftliche Normen gibt, wie zum Beispiel: Hunde und Katzen isst man nicht. Wobei ich da persönlich nicht immer einen Trennungsstrich machen würde, an sich sind das ja auch Tiere wie alle anderen.

fiph: Und man kann dann auch seine guten Freunde essen – oder lieber nicht?

Daniel: Also ich hab es als Kind bei meiner Oma immer gemacht. Da hab ich früher die Hasen gestreichelt, als sie klein waren, und ein paar Monate später standen sie halt auf dem Tisch. Das war einfach gang und gäbe und ich meine, das ist halt, wo Fleisch herkommt. Das liegt nicht im Kühlschrank und ist so fertig. Man muss sich eben auch darüber klar sein, dass das mal ein Lebewesen war.

fiph: Das macht dann einen Unterschied?

Daniel: Schon, denke ich. Weil man dann ja auch einfach bewusster isst und nicht nur das Discounter-Fleisch kauft, sondern auch darauf achtet, wo das Zeug herkommt.

 

Ludwig: Wie dürfen wir Tiere nutzen? Ist das eine philosophische Frage? Da könnte man sich lange drüber unterhalten, nicht wahr? Eigentlich nutzt der Mensch Tiere von Anfang an, denke ich mal. Weil sie vielleicht sogar eher da waren als er selber. Dann fing das natürlich mehr oder weniger damit an, dass man sich gegenseitig aufaß. Wilde Tiere genauso. Man jagte die Tiere, die einem schmeckten, zum Überleben. Und das hat sich alles sehr gewandelt im Laufe der Zeit. Da gab es dann ja auch verschiedene Formen in der Zwischenzeit, von Jagdgesetzen bis zur Tierhaltung. Und momentan bewegen wir uns ja in einen Bereich hinein, wo wir die Tiere als eine Art... also als Lebewesen sowieso, nicht als Menschen, aber als gleichwertige Lebewesen betrachten. Da sind wir bei der sogenannten Tiergerechtigkeit im weitesten Sinne angekommen. Find ich unheimlich gut, Tiergerechtigkeit. Es gibt natürlich eine Tiergerechtigkeit auch gegenüber Tieren, die man dann wieder aufisst, so wie Hühner und Schweine. Dass es denen bis zu dem Zeitpunkt, wo man sie dann isst, ganz ordentlich gehen sollte, finde ich schon sehr, sehr wichtig. Ja, Luxustierhaltung, Reiten mit Pferden und so pipapo, kann man geteilter Meinung sein. Ich selbst würde mich als tierlieb bezeichnen. Meine Tierliebe ist aber wiederum so ausgeartet, dass ich kein Tier gehalten habe, weil ich eben tierlieb bin. Ich hätte dem Tier nämlich nicht geben können, was es vielleicht erfordert hätte, wäre nicht immer rausgegangen oder was weiß ich. Da habe ich dann drauf verzichtet. Und diese Schreckensbeispiele, auch wenn auch das rein menschlich ist, wenn man dann so an Las Vegas denkt: Ich bin mal in Las Vegas gewesen und wenn man dann hörte, was nachts da an Schlachtvieh angekarrt wurde, nur damit die Leute am nächsten Tag billige Steaks essen konnten. Das ist Wahnsinn! Und noch ein kleines Histörchen aus meiner Jugend: Da wurde ich verfrachtet von Osten nach Westen – ich gehöre zu dieser Generation. Da landete ich auf einem Bauernhof, umgeben von Tieren. Und da hab ich dann die Kühe beobachtet. Pferde wurden auch schon damals ziemlich verhätschelt, aber die Kühe nicht. Da hab ich mich schon damals gefragt, warum es nicht auch mal für die Kühe ein paar Tätscheleien gibt.

 

Gisela: Indem wir sie lieb haben. (lacht)

Bärbel: Ja, das sowieso. Und indem wir sie nicht missbrauchen: zum Beispiel keine Versuche, um Kosmetika zu testen. Ich habe auch gerade erst gelesen, dass die Hausmarken der meisten Drogeriemärkte keine Tierversuche machen, stimmt das?

fiph: Das setzt sich mehr und mehr durch, aber einige Anbieter wollen darauf nicht verzichten..

Bärbel: Die teuren wahrscheinlich! Aber die kann man ja meiden.

 

Ingrid: Oh... Puh... Das ist aber ein abendfüllendes Thema... (überlegt) Ich glaub, ich hab da echt eine Meinung zu, die ich jetzt aber so in zwei Sätzen nicht wirklich äußern kann. (überlegt) Wenn ich jetzt „Gar nicht“ sage, stimmt das nicht, weil ich Fleisch esse und auch andere tierische Produkte. (überlegt) Ich kann das nicht beantworten. Das ist eine schwierige Frage. Aber in der Philosophie müssen ja auch schwierige Fragen gestellt werden, oder?

Lisa: Aber es geht ja nicht nur um Nutztiere, oder? Ein Haustier kann ja zum Beispiel auch einen Nutzen haben.

Ingrid: Also mir fällt jetzt gerade spontan ein Beispiel ein: Reittherapie für autistische Kinder. Da finde ich das, wenn die Pferde da nicht nur im Kreis rennen und artgerecht gehalten werden, völlig in Ordnung. So. Und wenn man merkt, dass die Tiere... Ich bin kein Profi, aber ich glaube, ein Profi merkt das… Wenn man also merkt, dass es den Tieren nicht schadet oder vielleicht sogar Spaß macht, dann, finde ich, darf man Tiere auch nutzen. So einen Vogel im Käfig einzusperren, weil ich den Nutzen davon hab, dass ich den toll finde, finde ich schwierig. Aber ich halte selber auch eine Katze. Also insofern ist es Jein-Antwort.

 

Christian: Als Nahrungsquelle, für medizinische Tests und um Nebenwirkungen von Kosmetik zu testen, für alles, was vom Menschen Schaden abhält.

Jan: Ja. Alles, was dem Lebensstandard der Menschheit hilft.

 

Florian: So wie wir sie bis jetzt immer genutzt haben. Also wir dürfen schon Tiere nutzen, zum einen, um aus ihnen Essen zu gewinnen und zum anderen, um uns die Arbeit zu erleichtern. Da gibt es viele Möglichkeiten. Hunde im Rettungswesen zum Beispiel, vielleicht auch in anderen Gebieten, wo man mit Maschinen nicht gut hinkommt, Lasttiere, Reittiere und so weiter und so fort...

fiph: Würden Sie sagen, dass es da Grenzen gibt? Oder weitere Kriterien, die die Nutzung einschränken? Weil Sie gesagt haben „wie wir sie bis jetzt immer genutzt haben“, und die industrielle Tierhaltung ist ja relativ neu...

Florian: Ja. Ich möchte auch nicht sagen, dass ich die industrielle Tierhaltung und die Massentierhaltung gut finde. Gleichwohl esse ich aber Fleisch und weiß auch, dass Tiere dafür getötet werden. Ich versuche aber darauf zu achten, kein Fleisch aus Massentierhaltung zu essen.

 

Petra: Nutztiere oder Tier in freier Wildbahn?

fiph: Beide.

Petra: So wie wir mit uns auch gern umgehen würden.

fiph: Und das gilt gleichermaßen für Nutztiere und für wilde Tiere?

Petra: Ja.

 

John: Als Haustiere, als Nutztiere....

fiph: Und was unterscheidet Haus- und Nutztiere?

John: Die einen haben bessere berufliche Perspektiven als ich...

 



[*]Alle Namen sind frei erfunden.

Die Gespräche führten Ronja Heymann und Ana Honnacker.