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Nr. 2 / 2020
Endzeit

Editorial

„It’s not dark yet, but it’s getting there. Well, my sense of humanity has gone down the drain. Behind every beautiful thing there’s been some kind of pain.“ In diesen Versen des Endzeit-Propheten Bob Dylan wird die apokalyptische Gestimmtheit, die sich gegenwärtig teils offen, teils subkutan ausbreitet, auf den Punkt gebracht. Der Zukunftshorizont verfinstere sich. Wer nur tief genug hinschaue, dem offenbare sich die Leere der Humanität, die wirkliche Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit, der sehe im Schönen immer auch irgendeinen Schmerz. Dieser offenbarende Blick ist aber auch auf die Rede von der Endzeit selbst anzuwenden. Ihr zumeist apokalyptischer, teilweise post-apokalyptischer Grundzug ist zu befragen, will sie nicht zur bloßen Rhetorik regredieren oder zu einem rein ästhetischen Genuss verkommen, zu einem Spiel, bei dem bereits ausgemacht ist, dass die Endzeit eigentlich bereits überstanden sei. Die folgenden Essays tragen genau dazu bei. Sie befragen die Rede von der Endzeit, bieten aber gleichzeitig Perspektiven für eine kritische Verwendung des Begriffs.

Jürgen Manemann plädiert in seinem Essay für eine „aufgeklärte Apokalyptik“. Diese ermögliche, die nahende Katastrophe anzuerkennen und trotz der Erkenntnis ihrer Unabwendbarkeit zum humanen und widerständigen Handeln zu motivieren. Die Endzeit wird damit zur Zeit der Entscheidung und der verschärften Wahrnehmung: der Missstände und Ungerechtigkeiten in der Welt, gegen die es zu protestieren gilt.

Patricia Löwe geht der Rede von der Apokalypse im Anschluss an Hans Blumenberg nach. Die Vorstellung eines baldigen Endes, der befristeten Zeit kommt damit als menschlicher Grundzug in den Blick, der nicht nur Schrecken mit sich bringt, sondern auch kritisches Erkenntnispotential und sogar Trost bereithalten kann.

Antonio Lucci schließlich bringt den Begriff der Apokalypse mit dem der Melancholie ins Gespräch. Im Gegensatz zu stillstellenden und reaktionären Deutungen des Endes unterstreicht er, illustriert durch Lars von Triers Film „Melancholia“, den ethischen Spielraum, der sich im Angesicht des Endes eröffnen kann, wenn man sich der Welt stellt.

 

     Jürgen Manemann                                 Ana Honnacker