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Nr. 1 / 2020
Philosophie am Kröpcke

Wogegen rebellieren Sie?

Alles Rebellion? Im Zuge der immer größer werdenden Klimabewegungen gibt es wöchentlich in vielen Städten große Demonstrationen und zum Teil auch Menschenblockaden. Für viele ist der Eindruck klar: Die Jugend rebelliert. Doch Rebellion kann verschiedene Formen annehmen; für die einen ist es der verbale Widerspruch gegenüber Diskriminierung oder unhaltbaren Positionen. Für die anderen bedeutet Rebellion immer auch, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen – sich eben die Macht zu nehmen, die doch manchmal tatsächlich auf der Straße liegt, wie Hannah Arendt sagt. 

Aber gibt es wirkliche Rebellion heutzutage noch? Findet sie nur innerlich statt, wenn man sich an den Widersprüchen der Gesellschaft reibt? Ist sie die Methode politischen Handelns unserer Zeit? Oder gibt es sie gar nicht?

Auf den Spuren des Sokrates haben wir mit einigen Passant*innen am Kröpcke, der Agora Hannovers, über ihre eigenen Erfahrungen mit Rebellion gesprochen und sie gefragt: Wogegen rebellieren Sie? Auszüge der geführten Gespräche lesen Sie hier.[1]

 

Antje: Ich rebelliere gerade dagegen, dass ich zugenommen habe und mir eine neue Hose kaufen muss (lacht). Nein, das war ein Scherz. Wogegen rebelliert man? Gegen Ungerechtigkeiten. Und die haben wir ja – genug.

weiter denken: Und welche konkret?

Antje: Zum Beispiel, dass die Krankenkassen Menschen unterschiedlich behandeln und man beim Arzt keinen Termin kriegt.

weiter denken: Was heißt für Sie denn genau rebellieren? Heißt es, Sie sind dagegen, Sie regen sich auf?

Antje: Mehr als mich aufregen kann ich gar nicht. Was soll ich denn machen? Man kann doch nichts ändern.

weiter denken: Wenn wir nichts ändern können, heißt das nicht, dass wir tatsächlich rebellieren müssten und auf die Barrikaden gehen müssten?

Antje: Dazu bin ich jetzt zu alt. Ich meine, ich könnte vielleicht am Sonnabend mitgehen, da marschieren sie gegen die Rechten, da sind dann sicher die Linken und die Omas gegen Rechts dabei, da würde ich ja dazugehören. Würde ich wohl auch gerne machen. Aber da wir ja als Rentner hier so viel Geld kriegen, arbeite ich Samstag erst noch mit fast 80 Jahren, und dann möchte ich nicht mehr demonstrieren.

 

Lukas: Wogegen ich rebelliere? So direkt eigentlich gegen nichts. Würde mir tatsächlich nichts einfallen, wogegen ich rebelliere. Politisch bin ich jetzt nicht sehr engagiert. Und in mir selbst verspüre ich das irgendwie auch nicht. Ich wüsste nichts, wogegen ich rebelliere.

weiter denken: Also: Die Welt ist in Ordnung?

Lukas: Das nicht, aber ich stelle mich halt nicht direkt dagegen. Ist halt so und ich engagiere mich jetzt nicht, um irgendwas zu verändern.

weiter denken: Wogegen sollte man möglicherweise deiner Meinung nach rebellieren?

Lukas: Naja, man könnte sich zum Beispiel für Tierschutz einsetzen.

 

Rudi: Aktuell oder so grundsätzlich?

weiter denken: Beides.

Rudi: Gesamtscheiße vielleicht. Ansonsten viele Kleinigkeiten im Alltag. Gegen Rechte, die mir begegnen, mit denen ich diskutiere. Gegen zu viel Verpackungsmüll – versuche ich, klappt nicht immer.

weiter denken: Was ist für Sie der Unterschied zwischen Rebellieren und nur Dagegen-Sein?

Rudi: Rebellion wäre für mich Was-Machen.

 

Dilan: Inwiefern?

weiter denken: Wogegen lehnt ihr euch auf? Wogegen seid ihr?

Dilan: Ungerechtigkeit.

Vedat: Wogegen wir jetzt theoretisch protestieren würden? Rassismus unter anderem, ja.

Dilan: Wir sind alle Menschen, wir haben alle Gehirne, wir leben alle auf dem gleichen Planeten, das heißt – warum bekriegen? Warum nicht alles zusammen machen? Weil wenn wir alle zusammenhalten könnten, würden wir viel mehr ausrichten können.

weiter denken: Und rebelliert ihr tatsächlich? Also im Sinne von Auf-die-Straße-gehen oder irgendwelche Aktionen? Oder seid ihr nur dagegen? Innerlich rebellieren oder tatsächlich raus auf die Straße?

Dilan: Demos.

Vedat: Also ich rebelliere innerlich auf jeden Fall, aber ich gehe nicht auf Demos, bin ich ehrlich. Wenn, dann versuche ich halt mit meinen Freunden irgendetwas zu bewegen oder Leuten zu helfen, aber ansonsten…. Kann sein, dass Demos was bringen, aber ich persönlich bin jetzt nicht so ein Fan davon.

Dilan: Man muss mehr mit anderen Leuten und auch Religionen in Kontakt kommen. Wenn man nur unter sich ist, kommt man ja nicht so richtig aus sich raus und lernt auch keine neuen Leute kennen.

weiter denken: Gibt es einen Grund dafür, dass du denkst, Demos bringen eher nicht so viel? Sind bestimmte Formen der Rebellion sinnlos?

Vedat: Nein, nein, ich habe nicht gesagt, dass sie nichts bringen, ich meine nur, ich persönlich bin jetzt keiner, der auf Demos geht. Kann auf jeden Fall sein, dass sie was bringen, aber ich hab’s selber noch nie gemacht. Ich nehm’ die Sachen lieber selber in die Hand und versuche, etwas anderes zu machen – vielleicht so kleine Projekte, mit denen man wirklich Menschen bewegen kann, anstatt mit allen mitzulaufen.

 

Jasmin: Okay…..vielleicht manchmal so gegen meine Eltern (lacht), wenn die so, also, wir so unterschiedliche Ansichten haben oder die mir was verbieten, was ich halt unfair finde oder so.

weiter denken: Was für Ansichten zum Beispiel?

Jasmin: Manchmal, keine Ahnung, politisch, manchmal auch, zum Beispiel, wenn wir in den Urlaub fahren wollen. Dann sage ich, ich möchte irgendwohin, wohin man relativ viel fliegen muss, und meine Eltern meinen dann so, das ist jetzt nicht so gut für die Umwelt. Dann streite ich mich manchmal so ein bisschen mit denen.

weiter denken: Gibt es denn etwas, gegen das man auf jeden Fall rebellieren sollte?

Jasmin: Wenn die Meinung von einem selber unterdrückt wird oder so? Vielleicht dagegen.

weiter denken: Bedeutet rebellieren für dich streiten? Oder mehr zu machen?

Jasmin: Streiten ist da vielleicht eine weitere Ebene. Vielleicht kann man zuerst versuchen, etwas friedlich zu lösen. Rebellieren kann man aber vielleicht auch bei Demos.

 

Anita: (lacht) Okay, gute Frage. Vieles. Also durch meine Hautfarbe natürlich gegen Nationalsozialismus, Rassismus – auch den nicht direkten Rassismus. Wie so gefragt zu werden „Woher kommen Sie?“, wo es so indirekt ist. Manchmal auch so gegen diese Unfreundlichkeit, die es so gibt.

weiter denken: Wie genau sieht diese Rebellion aus?

Anita: Ich antworte meistens persönlich, wenn ich so etwas gefragt werde und gebe halt direkt die Antwort, dass man sowas auch anders fragen kann. Ich sage auch, warum es mich stört, so etwas gefragt zu werden, weil manche diesbezüglich überhaupt nicht sensibilisiert sind. Jugendliche zum Beispiel auch – ich habe im Café Tabor mal gearbeitet, als Jugendleiterin, da habe ich das den Jugendlichen schon einmal nahegebracht. Das war so die freundliche Rebellion, sage ich mal. Nicht so richtig dieses Auf-der-Straße-stehen und demonstrieren. Ich habe dort aufgeklärt und auch ganz viel über meine persönlichen Erfahrungen berichtet. Kinder und Jugendliche erlernen diese Unfreundlichkeit eben von den Erwachsenen.

Gegen Nazis zu rebellieren ist schwierig. Ich weiß zum Beispiel, am Samstag ist eine Demo in der Südstadt, was ich ganz gut finde, ich weiß nur noch nicht, ob ich trotz Arbeit dahin kann. Zu sowas würde ich dann hingehen, wenn ich Zeit habe. Ich bin auch mal, als es in der Nähe meiner Wohnung einen Nazi-Laden gab, dagegen auf die Straße gegangen.

weiter denken: Also Rebellion sowohl als Aufklärung als auch durch Aktion?

Anita: Ganz genau, das sind die Dimensionen.

 


[1] Alle Namen sind frei erfunden.

Die Gespräche führten Kaja Kröger und Ana Honnacker.