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Nr. 1 / 2020
Blumenberg

Dunkirk – Leaving the Continent, again. Hans Blumenberg über die Tragik der Wiederholung

Wer sich heute mit Hans Blumenberg beschäftigt, kann in seinem weit verzweigten, ja beinahe unüberschaubaren Werk ganz verschiedene Aspekte fruchtbar machen. Die Leseerfahrung kann Umwege und Seitenwege nehmen, Themen oder Stilen, behandelten Autoren oder sich durchhaltenden Motiven folgen. Wie bei anderen philosophischen Texten gilt indes in jedem Fall auch hier: Die Lektüre seiner Texte verändert die Wahrnehmung. Andere Dinge, andere Aspekte unserer „Wirklichkeiten“ (Blumenberg bestand auf dem Plural) rücken in den Vordergrund. Wo man einsetzt, was man wichtig findet – diese Frage hängt von kontingenten Umständen ab und so manche Entscheidung lässt sich wohl nur schwer begründen.

Ein solch kontingenter Anknüpfungspunkt ist auch jene Beobachtung, die Hans Blumenberg zu Beginn seines Nachlasstextes mit dem Titel „Präfiguration“ formuliert (Blumenberg 2017). Hier stellt Blumenberg mit der Lakonie des phänomenologischen und zugleich anthropologischen Beobachters fest, dass ein wichtiges Mittel der Weltbewältigung des Menschen die Hypothese der Wiederholbarkeit ist: In ähnlichen Situationen wird eine ähnliche Reaktion ähnliche Ergebnisse zeitigen. Antworten auf akute Herausforderungen müssen also nicht immer wieder neu erfunden werden – die Hypothese der Wiederholbarkeit des Ähnlichen erlaubt Komplexitätsreduktion. Blumenberg scheint sich dieses Verfahren als geradezu urmenschenhaft-instinktive Form eines vorbegrifflichen Denkens vorzustellen: Dieses Tier sieht ähnlich aus wie jenes – dann wird es sich wohl auch auf ähnliche Weise jagen, erlegen und essen lassen. Immer schon, so könnte man wohl formulieren, denkt der Mensch so.

Blumenbergs Beobachtung scheint daher geradezu trivial. Sie bringt gewissermaßen den Analogieschluss auf den Begriff und benennt die Alltagsheuristik als völlig unhinterfragten Standard in unserem praktischen Weltbezug. Es wäre unsinnig, ja im Wortsinne komisch, würde man den Analogieschluss verweigern, so wie im berühmten Witz von Groucho Marx, wo die Conclusio von der ähnlichen Erscheinung auf den ähnlichen Charakter – zum Amüsement der Hörerinnen und Hörer – erst noch verteidigt werden muss: „He may look like an idiot and talk like an idiot but don't let that fool you. He really is an idiot.“

 

Masterpläne – mit und ohne Autor

Ähnlichkeitsschlüsse sind also alltäglich, unvermeidlich, legitim – und doch fragwürdig. Ihre extreme Form nehmen sie in jenem Deutungsschema an, das Blumenberg „Präfiguration“ nennt. Im gleichnamigen, vermutlich als Kapitel des Buches Arbeit am Mythos geschriebenen Text geht Blumenberg dem politischen Mythos nach. Hier sind es Goebbels und Hitler, die die eigene Lage als Wiederkehr vergangener Situationen deuten: Wie einst bei Alexander dem Großen, Friedrich II. oder Napoleon soll auch am Kriegsende die Vorsehung die Wende bringen.

Die theologischen Ursprünge und Konnotationen des Begriffs „Präfiguration“ sind in diesem Kontext interessant. Ursprünglich bezeichnet der Begriff ein Verhältnis von Verheißung und Erfüllung, das für die Verhältnisbestimmung von Altem und Neuem Testament bedeutsam war: Was in der Torah angekündigt wurde, erfüllt sich in Christus. Blumenbergs Pointe besteht darin, dass in dieser theologischen Denkfigur ein menschliches Grundbedürfnis zum Ausdruck kommt: Bedeutsamkeit und Deutungshilfe in der Welt zu finden. Die Präfiguration besagt nicht nur, dass vergangene Erfahrungen hilfreich sind, um die Gegenwart zu lesen, sondern dass sie allererst dazu bestimmt sind, die Gegenwart zu präfigurieren, zu verheißen, zu ermöglichen. Die Gegenwart „erschafft“, projiziert und konstruiert mit diesem Schema erst die Vergangenheit, macht sie bedeutsam. Das Holz des Baumes im Paradies wäre nicht bedeutsam – würde man in ihm nicht eine Vordeutung auf das Kreuz Christi erblicken. Erst das Neue Testament macht das Alte Testament „alt“, zu dem, was es „für uns“, d.h. aus christlicher Perspektive ist.

Eine solche Form, in der eine Art Masterplan, nämlich ein „Heilsplan“ angenommen werden muss, ist äußerst voraussetzungsreich. Denn eine Geschichte, die über Verkündigung zu Erfüllung verläuft, kann eigentlich nur von jenem Autor stammen, der alle komplexen Stränge der Handlung, die berühmten schwer zu durchschauenden Wege des Herrn, überblickt: Gott. Das Deutungsschema verschwindet indes nicht einfach, wo der Gedanke der Heilsgeschichte in Frage gestellt wird. In der schwächeren Form der Wiederholung der Geschichte bleibt der Analogieschluss aktuell – und brandgefährlich. Ganze Gesellschaften verfallen immer wieder dem Fehlschluss: „Das hatten wir doch schon mal, das machen wir wieder genauso!“

 

The Spirit of Dunkirk

Ein dramatisches Beispiel für einen solchen Fehlschluss findet sich in den Debatten rund um den Brexit. Es ist immer wieder betont worden, dass das British Empire als Sehnsuchtsort und Utopie gezeichnet wurde: Der Commonwealth, so Boris Johnson, solle die EU als Freihandelszone ersetzen – natürlich unter britischer Führung. Boris Johnson selbst hat sich nicht nur als großer Bewunderer Churchills geoutet und – in seiner Biographie über den britischen Kriegspremier – den „Churchill-Faktor“ beschworen. Er hat vor allem sich selbst als einen neuen, ja man muss beinahe sagen: wiedergekehrten Churchill inszeniert: wild entschlossen, bereit zu allen Härten, allein gegen eine Übermacht (Nicholls 2018, 128ff.).

Diese Übermacht wurde stets auf den Kontinent projiziert. Das kontinentale Europa wurde im politischen Imaginären der Brexiteers zur Inkarnation einer demokratiegefährdenden Bürokratie, Brüssel zum imperialen Monster, zur Wiederkehr der Sowjetunion. Diese um die Brüsseler Regelungswut rankenden Mythen sind bereits vielfach dekonstruiert worden. Gerade Angela Merkel wurde in der britischen Klatschpresse oft als gigantische Nanny gezeichnet, die angetreten ist, die Brit*innen zu erziehen, ihnen über den Hebel der EU-Vorschriften den Spaß am Leben zu verderben, kontrollierend in ihre Töpfe und Biergläser zu blicken. All diese Erzählungen gewinnen ihre Dynamik indes allererst durch den historischen Kontext: Auch hier galt „Das haben wir doch schon mal erlebt!“.

Von den vielen Kristallisationspunkten, an denen die fatale Wirkung unreflektierter historischer Analogien gezeigt werden könnte, möchte ich im Folgenden einen genauer betrachten, der gerade aus einer mit Blumenberg argumentierenden Perspektive bedeutsam scheint: Den Film Dunkirk von Christoper Nolan, der 2017 in die Kino kam und eine ganz eigene Wirkung entfaltete (vgl. auch Jack 2018).

Aber warum soll sich gerade Blumenberg als philosophischer Begleiter für Kinobesuche eignen? Das Kino taucht in Blumenbergs Schriften nur am Rande auf. Blumenbergs Fokussierung auf Texte ist immer wieder thematisiert worden: Bilder und bewegte Bilder kommen bei ihm nur äußerst selten vor. Anders als bei Stanley Cavell gibt es bei ihm keine explizite Auseinandersetzung mit der Kulturform des Kinos und seinen Inhalten.

Und doch gibt es eine wichtige Verwandtschaft seines Denkens zu dem, was man heute Film Philosophy nennt. Das Kino ist anschaulich, produziert Denkbilder, es verfährt narrativ und erschafft Mythen. Ist nicht gerade Blumenbergs Denken, seine Analyse der Bedeutsamkeitsproduktion wie geschaffen für die philosophische Betrachtung des Kinos? Die plot-Strukturen, die er in Arbeit am Mythos als Kerngeschäft der Bedeutsamkeitsproduktion beschreibt („Kreisförmigkeit“, „versteckte Identität“, etc.) klingen, als stammten sie aus dem Einführungskurs für Drehbuchautor*innen.

 

Die Evakuierung aus Dünkirchen

Worum also geht es bei Dunkirk? Als das britische Expeditionskorps im Frühjahr 1940 von den deutschen Truppen in der Küstenstadt Dünkirchen in die Enge getrieben wird, triumphiert Hitler über Europa. Geschlagen, ja gedemütigt müssen die britischen Truppen in der Hafenstadt auf ihre Evakuierung warten, während die Deutschen sie aus der Luft beschießen und am Boden beständig näher rücken. Die Lage scheint aussichtlos, doch der britische Stolz lässt sich nicht brechen. In einer einmaligen Aktion beginnen Privatpersonen mit kleinen Booten, die britischen Soldaten über den Kanal auf die Insel zu holen. Am Ende dieser schrecklichen Rückzugsschlacht sind viele gefallen, aber auch viele gerettet. Der „Spirit of Dunkirk“ hat eine Art Wunder möglich gemacht. Und Churchill erklärt den Briten, man werde keinesfalls aufgeben.

Diese historischen Ereignisse nimmt Christopher Nolan – bekannt als Meister des Blockbuster Kinos, ausgezeichnet für Kassenerfolge wie die „Batman“-Trilogie – zur Grundlage einer ganz außergewöhnlichen filmischen Aufarbeitung. In drei getrennten und nur punktuell sich berührenden Erzählsträngen folgt er Einzelschicksalen durch die Tage von Dünkirchen, am Strand, in der Luft, an der Heimatfront. Zur großen Wirkung der durchkomponierten Bilder trägt ein weiteres zentrales Element bei: die außergewöhnliche Filmmusik von Hans Zimmer, einem der Meister des Hollywood-Filmmusik-Business. Hans Zimmer entwickelte weniger eine Filmmusik als vielmehr einen Klangteppich, der Geräusche aus der Handlung in einen kohärenten Klangfluss integriert: tickende Uhren, das Bollern von Rohren im Schiffsrumpf, das Rattern der Flugzeugpropeller – es bleibt unklar, wo die Musik beginnt und wo sie endet. In diesem Sinne ist Dunkirk ein „Gesamtkunstwerk“: Bild und Ton, das Subjektive und das Objektive, Untergang und Rettung, Geschichte und Gegenwart – alles verschmilzt zu einem einzigen ästhetischen Erlebnis.

 

Leave!

Die politische Brisanz dieses Films war während seiner Produktion nicht absehbar. Natürlich waren ein gewisser Patriotismus und die stolze Erinnerung an die heldenhafte Geschichte aus britischer Sicht von Anfang an Teil des Projekts. Doch dann kam 2016 das Brexit-Votum und nun geriet der Film in den Sog politischer Mythenbildung. Nigel Farage, die zentrale öffentliche Figur einer die EU verleumdenden Kampagne, postete einen breit rezipierten Twitter-Feed, der die Verknüpfung explizit machte: Alle Briten sollten diesen Film gesehen haben, so Farage vor dem Filmplakat stehend. Und seitdem war die Rede vom „Spirit of Dunkirk“ in der Brexit-Diskussion. Erneut, so war zu hören, stehe Großbritannien einer Übermacht gegenüber. Erneut befinde sich das Land in einer Art Ausnahmezustand. Erneut gehe es darum, to leave the continent.

Die Formeln der Leavers wurden so in einen historischen Echoraum gerückt, der eine enorme Verstärkung des Halls bewirkte: To take back control – dies bedeutete nun nicht mehr bloß eine Ablehnung der EU-Richtlinien zum Fischfang in der Nordsee. Durch den Frame „Dunkirk“ wurde zugleich die Notwendigkeit der inneren Einheit beschworen: Wer nicht für den Brexit kämpft, so war zu hören, verweigert sich der Kampfgemeinschaft. Im sfumato der Rhetorik wurde unklar, welches Europa hier eigentlich verlassen werden soll. Das „Leave!“ der Brexiteers klang dann wie das Kommando der Offiziere am Strand von Dünkirchen: Bloß weg aus der Hölle des europäischen Kontinents!

 

Politische Mythen

Ist es unfair gegenüber den Brexiteers in diesem Kontext von der Instrumentalisierung eines politischen Mythos zu sprechen? Dunkirk ist zumindest insofern kein Mythos, als die Ereignisse ja tatsächlich stattfanden: Die Brit*innen haben jedes Recht, auf ihren entschlossenen und opferreichen Kampf gegen den Nationalsozialismus stolz zu sein. Den Spirit of Dunkirk hat es zweifellos gegeben, die Heldengeschichten berichten von echten Helden. Warum genau ist Nigel Farages Appell, Dunkirk als Deutungsfolie für die Gegenwart heranzuziehen, dennoch so falsch und gefährlich?

In Blumenbergs Analyse des politischen Mythos geht es um eine Geschichte des Realitätsverlusts: Goebbels und Hitler stehen im Führerbunker gar nicht mehr im Kontakt mit der Wirklichkeit, sie bewegen sich nur noch in ihren Wahnwelten. Der Mythos erschließt hier nicht mehr die Welt, sondern verstellt den Blick auf diese, ja ersetzt sie. Der Wahnsinnige lebt in seiner eigenen Welt, in der alles bedeutsam wird, alles zum Zeichen.

Das alles wird man den Brexiteers nicht vorwerfen können. Sie mögen ein verzerrtes Bild der EU haben, die Möglichkeiten Großbritanniens auf dem Weltmarkt übertrieben optimistisch einschätzen und einem antiquierten Deutschlandbild anhängen. Doch einen Realitätsverlust wird man ihnen nicht unterstellen wollen. Und doch bleibt Blumenbergs Analyse hilfreich, denn mit ihr lässt sich die Attraktivität der Komplexitätsreduktion nachvollziehen: Analogieschlüsse machen das Leben einfach – manchmal zu einfach. Dunkirk als Deutungsfolie ist fatal, insofern hier die Leitmetapher des Krieges aufgerufen wird. Wer im Kontext der Brexit-Verhandlungen an den Spirit of Dunkirk appelliert, sucht nicht mehr nach der besten Lösung, sondern verspricht den Sieg und droht mit dem Untergang. Er verführt zu einer Logik des Alles oder Nichts, zur Unterscheidung von Freund und Feind, zur Ausrufung des Ausnahmezustandes, in dem Recht gebrochen werden darf und alles erlaubt ist. Es ist genau dieses framing, das die Gewaltdrohungen gegen Politiker – und in besonderem Maße gegen Politikerinnen – möglich gemacht hat. Und der Mord an Helene Joanne Cox im Juni 2016 zeigte, dass es nicht nur bei Drohungen bleibt. Der Täter rief „Britain first!“.

Der Spirit of Dunkirk ist eben nicht nur der Geist der Nothilfe für die Mitbürger*innen, der Geist eines unbezwingbaren Freiheitswillens. Der Analogieschluss führt zurück in einen Weltkrieg, in dem auf Zivilist*innen geschossen oder zumindest gebombt wurde. Die narrative Struktur des Kinos verstärkt hier die Sogwirkung des Analogieschlusses. Bilder und Erzählungen lassen sich nicht auf dieselbe Weise negieren wie Aussagesätze. In einem Fall reicht eine hinzugefügte Negation; im anderen Fall bedarf es der Gegenbilder und Gegenerzählungen. Doch gerade wenn das Kino so meisterhaft arbeitet wie bei Christopher Nolan, wird Widerspruch schwierig. Wie soll man einem Film widersprechen, dessen „Botschaft“ gar nicht auf die Form einer propositionalen Aussage zu reduzieren ist?

 

Das Neue – das Ähnliche?

Anders als in Arbeit am Mythos wird in „Präfiguration“ die fatale Wirkung des mythischen Denkens deutlich: Analogieschlüsse mögen unvermeidlich sein, aber sie sind in vielen Fällen auch fatal; sie eröffnen Perspektiven und verschließen gleichzeitig andere. Insofern lässt sich Blumenbergs Analyse auch nicht nur auf die Formel reduzieren, die Geschichte wiederhole sich nicht. Vielmehr muss man mit Blumenberg mit einer Art double-bind rechnen: Wir haben nur Analogieschlüsse als Heuristik und dürfen uns zugleich nicht blind auf diese verlassen. Die morale par privison, die Blumenberg so vehement verteidigte, mag die einzige Option sein, die wir haben – und selbst mit dieser gilt es umsichtig vorzugehen. In diesem Sinne lässt sich Blumenbergs Analyse politischer Mythen auch als ein Beitrag zu einer Art Klugheitslehre lesen: Es geht hier nicht nur um Dosierungsfragen, sondern um die Kontexte der Anwendung mythischer Bedeutsamkeitsproduktion.

Nun dürfte man aber gerade mit Blumenberg vermuten, dass sich diese Kontexte im Prozess der Modernisierung rasant verändert haben und weiter verändern. In vorkopernikanischer Zeit mussten Analogieschlüsse noch besondere Plausibilität haben: In einem geordneten Kosmos ohne bahnbrechende Innovationen konnte auf „Strukturen der Verlässlichkeit“, auf konstante Verhältnisse zwischen Wesenheiten gehofft werden. Doch in einer Welt der beständigen Innovation verändert sich der Status von Analogieschlüssen. Vieles mag hier ähnlich erscheinen, ohne ähnlich zu sein.

 

What got you here won’t get you there!

In diesem Sinne stellt auch die Brexit-Situation eben jenes „unkartierte Gelände“, das „unchartered territory“ dar, das so oft beschworen wurde: Es gibt eben gerade keine Präzedenzfälle für den Ausstieg eines Landes aus der EU. Etwas Ähnliches haben wir eben gerade noch nicht erlebt. Eine modernisierungstheoretisch begründete Vermutung könnte lauten, dass diese Situationen des schwer Vergleichbaren immer häufiger werden. In der Managementtheorie ist das von Marshall Goldsmith auf die Formel gebracht worden: „What got you here won’t get you there!“, also in etwa: Jedes Problem bedarf einer ganz eigenen Antwort. Es ist kein Zufall, dass diese Einsicht gerade in der Ökonomie Verbreitung findet. Eine einfache Formel wie „Investitionen schaffen Arbeitsplätze“ mag lange richtig gewesen sein. Aber unter Bedingungen extrem schneller Innovationen verlieren diese Faustformeln ihre Gültigkeit: In Zeiten der Digitalisierung zerstören Innovationen massenhaft Arbeitsplätze. Gerade der Blick in die Wirtschaft zeigt: Technische Innovationen verändern die Welt grundsätzlich; die Regeln des Spiels verändern sich ständig. Was gestern noch als Heuristik hilfreich war, kann heute völlig falsch sein. Analogisieren wird immer schwieriger.

 

Brexit-Logik und Post-Brexit-Logik

In diesem Sinne ist das Brexit-Denken nicht nur reaktionär, insofern ein untergegangenes Empire imaginiert wird, der Traum von der Rückkehr nach Downton Abbey. Aus der Zeit gefallen scheint es bereits auf der Ebene eines Denkens in historischen Analogien an sich. Nicht erst die Inhalte machen die Brexiteers antiquiert, sondern schon ihre Form. Die Einsicht, dass Militärstrateg*innen oft scheitern, weil sie den letzten, nicht aber den nächsten Krieg gewinnen wollen, kommt hier noch nicht zum Tragen. Ein Post-Brexit-Denken würde indes von der Beobachtung ausgehen, dass Lehren aus der Geschichte zu ziehen immer schwieriger wird in einer Welt, in der sich die Regeln rasant verändern.

 

Literatur

Blumenberg, Hans: Präfiguration. Arbeit am politischen Mythos. Berlin: Suhrkamp 2017.

Nicholls, Angus: „Political Myth – Prefiguration – Brexit”, in: Texte zur Kunst, Bd. 112/Dezember 2018 „NOISE/SILENCE“, 128-144.

Jack, Ian: “Dunkirk and Darkest Hour fuel Brexit fantasies – even if they weren’t meant to”, in: The Guardian, Sat 27 Jan 2018.