„And All Of It Is Yours And Mine
So Let’s Ride And Ride And Ride And Ride“
(Iggy Pop/The Passenger/1977)
Auf Kultur wird häufig als etwas Monolithisches und Statisches Bezug genommen, und als ebenso fest und gegeben wird auch Identität gedacht: das Subjekt als untrennbar in seine jeweilige Kultur eingelassen. Unter diesen Vorzeichen gelangt man rasch zu der Idee eines „Clash of Cultures“, die sich gerade in Zeiten einer globalen Drift nach rechts leicht politisch – oder genauer: populistisch – in Anschlag bringen lässt.
Wenn man über Kunst und Kultur im globalen Kontext nachdenkt, wird man in der Tat zunächst mit Momenten konfrontiert, die nicht zusammenzupassen scheinen und dissonant wirken. Die Idee des Hamburger Projekts „Hypercultural Passengers“ (HyCP) ist es, Kunst und Kultur in einer Weise umzudeuten, die diese identitären Erstarrungen aufbricht. Auf der Suche nach Familienähnlichkeiten werden assoziativ scheinbar fremde Kunst- und Kulturpraktiken miteinander verbunden. Dabei werden, quer zu nationalen und kulturellen Zuordnungen, Nähe wie auch Dissense künstlerischer und gedanklicher Artikulationen aufgezeigt und erfahrbar gemacht. Im Mittelpunkt steht dabei der freie Austausch von künstlerischem Handeln und theoretischer Reflexion: Wie können Kunst und Philosophie dazu beitragen, Räume des Austausches zu erzeugen, die nicht territorial und von nationalen Selbstbehauptungen getragen sind?
Initiiert wurde das Projekt von dem Hamburger Künstler Michael Kress mit der Philosophin Heidi Salaverría, den Künstlern Torsten Bruch und Chrisdian Wittenburg und entstand durch die langjährige Zusammenarbeit und den Austausch mit internationalen Künstler*innen. Die Idee des „Passengers“, des/r Reisenden, hinterfragt und problematisiert den Mythos des fixen, mit seiner Kultur untrennbar verknüpften Subjekts. Der „Passenger“ ist nicht fertig, sondern unterwegs, er kann Distanz zu seiner Identität einnehmen und kritisch auf sie reflektieren, Elemente neu aufnehmen und in einem Prozess permanenter Re-Installation verknüpfen. Das Nachdenken über Kultur und Identität soll fast schon spielerisch verflüssigt werden, um Möglichkeitsräume auszuloten und sich imaginativ in neue Denkungsarten einzuüben.
Die an HyCP beteiligten Künstler*innen sind also nicht nur Teil eines internationalen künstlerischen Austauschs, sondern begeben sich auf hyperkulturelle Reisen. Der Begriff der Hyperkultur, der sich unter anderem Byung-Chul Han verdankt, markiert dabei vor allem die Momente des Verlinkens, Überlagerns, Assoziierens und Auflösens kultureller Codes. Dabei geht es HyCP nicht in erster Linie um die „Herstellung“ von Kunstwerken. Neben Performances und Installationen werden zum Beispiel auch eher offene Formate wie die „artist conversations“ erprobt. Miteinander sprechen, diskutieren, streiten: diskursive Verwirrung gehört zum produktiven Prozess. Die Begegnung Kunstschaffender und Kulturreflektierender soll daher auch möglichst informell ermöglicht werden. Dokumentiert wird das Ganze auf der Website http://www.hyperculturalpassengers.org, die, ganz im Geiste des Projekts, als nicht-linearer Blog funktioniert.
Darüber hinaus ist HyCP Partner im Kunst- und Kultur-Netzwerk Portjourney, das seit einigen Jahren Hafenstädte weltweit mit Kunstaktionen verbindet. Portjourney wurde 2012 in Yokohama gegründet und verbindet heute Künstler*innen und Kunstorte aus Japan, Südkorea, China, Australien, Indien, Jordanien, Ägypten, Frankreich, Deutschland, Niederlande, Finnland, Island und den USA. Das Netzwerk der hyperkulturell Reisenden wächst und wird erweitert.
Michael Kress, „The Fields Are Soft And Green (the Innocence of the Artist)“, 2012, Nishinomiya-Funasaka Biennale, Japan, © VG Bild Kunst