Liebe Leser*innen,
Umweltphilosophie ist eine Philosophie, die sich mit Umwelt bzw. Mitwelt aus klimaethischen, umweltethischen, ästhetischen, kulturellen und politischen Perspektiven befasst. Sie ist somit kein klar umrissenes philosophischen Fachgebiet, sondern durch Überlappungen verschiedener Teildisziplinen und Fragestellungen gekennzeichnet. Es ist gerade das damit einhergehende ,vernetzte und vernetzende Denken', das es ihr ermöglicht, neue Perspektiven und Handlungsspielräume zu erschließen und so den drängenden ökologischen und klimatischen Krisen auf Höhe der Herausforderungen zu begegnen.
Die folgenden Beiträge möchten dazu motivieren sich mit diesem vielschichtigen und komplexen Feld der Philosophie zu befassen und zugleich auf mögliche Fallstricke gegenwärtiger Diskussionen, beispielsweise öko-faschistische Instrumentalisierungen, aufmerksam machen.
Andreas Hetzel stellt in seinem Beitrag heraus, dass die Biodiversitätskrise nicht nur nach entschiedenen politischen und gesellschaftlichen Reaktionen verlangt, sondern auch nach ethischen Antworten, die die politischen und gesellschaftlichen Reaktionen erst motivieren und in individuellen Haltungen sowie geteilten Lebensformen verankern könnten. Er bemerkt dabei, dass die akademische Ethik zwar die ‚Sixth Extinction‘, das durch menschliche Eingriffe verursachte Massenaussterben von Arten, als Problem wahrgenommen und seine Dringlichkeit anerkannt hat. Dennoch ist bisher keine spezielle Ethik der Biodiversität entstanden. Hetzel plädiert deshalb für die Notwendigkeit eine dezidierte Ethik der Biodiversität zu entwickeln, die sensibel gegenüber anthropozentrischen Vorentscheidungen ist.
Die ökologische und klimatische Katastrophe gefährdet die Grundfesten unserer planetaren Existenzbedingungen. Angesichts der dadurch verursachten Zerstörungen plädiert Jürgen Manemann für eine rettende Umweltphilosophie. Diese erschüttert die Kaltstellungen des wissenschaftlich-technischen Zugriffs auf Natur durch die Konfrontation mit Andersheit und Anderheit in Natur. Rettende Umweltphilosophie zielt auf ein (Zusammen-)Leben, das alle Menschen, Tiere, Pflanzen, Arten, Berge, Flüsse, Ökosysteme und die Erde als Teil der Moralgemeinschaft umfasst. Indem sie sich engagierend und aktivierend um die Handlungsfähigkeit der Menschen sorgt, begründet sie eine Pflicht zum Aktivismus. Rettende Umweltphilosophie schärft den Blick für Utopisches und lässt Neues im Kaputten und in Zwischenräumen aufblitzen.
Der Beitrag von Nina Käsehage befasst sich mit dem Phänomen der Deep Ecology (Tiefenökologie), einer Bewegung, die vom Norweger Arne Næss zu Beginn der 1970er geprägt wurde. Sie skizziert die Grundidee des Ansatzes und rekonstruiert dessen Adaption durch radikale, ökofaschistische Bewegungen in den USA, u.a. ,Earth First!‘ und ,Earth Liberation Front‘. Im Blick auf Europa und Deutschland zeigt sie, wie sich die Suche der Menschen nach Stabilität und Halt in unsicheren Zeiten und das Angebot solcher tiefenökologisch orientierten Bewegungen zu einem Nährboden für rechtsextremes Gedankengut und Verschwörungserzählungen entwickeln.
Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre!
Jürgen Manemann und Anne Weber